Der Online-Handel bietet heute mehr als nur einen Vertriebsweg. Um Kunden effizient zu erreichen und ein nahtloses Einkaufserlebnis zu bieten, setzen Unternehmen auf unterschiedliche Vertriebsstrategien. Eine Strategie beschreibt dabei geplante Maßnahmen und Vorgehensweisen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass von Anfang an alle Möglichkeiten und Potenziale voll ausgeschöpft werden. Besonders bei der Umsetzung von Omni-Channel-Strategien besteht bei nahezu allen Unternehmen noch Ausbaupotenzial. Dennoch wird diese Strategie bewusst verfolgt, um eine konsistente und vernetzte Kundenerfahrung zu schaffen. Drei der zentralen Konzepte sind Multi-Channel, Cross-Channel und Omni-Channel. Doch was steckt genau dahinter??

Multi-Channel: Mehrere Vertriebskanäle nebeneinander
Beim Multi-Channel-Vertrieb nutzt ein Unternehmen verschiedene Verkaufskanäle parallel, ohne diese miteinander zu verknüpfen. Die Vertriebskanäle sind dabei organisatorisch und technisch voneinander getrennt, sodass keine direkte Verbindung zwischen ihnen besteht. Typische Beispiele sind eigene Online-Shops, stationäre Läden, Marktplätze wie Amazon oder eBay sowie Social-Media-Shops.
Diese Trennung ergibt sich nicht nur aus unternehmensinternen Strukturen, sondern auch aus dem Einkaufsverhalten der Kunden: Wer beispielsweise über Amazon einkauft, erwartet in der Regel auch, dass Retouren und Kundenservice über Amazon abgewickelt werden, ohne Wechsel zu anderen Verkaufskanälen des Anbieters.
Vor allem viele Shop-Betreiber, die primär über Marktplätze verkaufen, setzen auf diese Strategie. Besonders für Newcomer im E-Commerce erscheint es verlockend, über Plattformen wie Amazon oder eBay zu starten, da diese eine große Reichweite und fertige Infrastruktur bieten. Diese Infrastruktur umfasst unter anderem:
- Logistik– und Versandabwicklung
- Kundenservice und Retourenmanagement (siehe auch Beschwerdemanagement)
- Zahlungssysteme und Betrugsprävention
- Reichweitenstarke Such- und Empfehlungsalgorithmen
- Marketing– und Werbemöglichkeiten direkt auf der Plattform
Häufig wird in diesem Zusammenhang auch das Dropshipping-Modell genutzt: Der Händler bietet Produkte an, die direkt vom Lieferanten an den Kunden versendet werden, ohne dass er selbst Lagerbestände vorhält.
Dropshipping kann jedoch auch Risiken bergen, etwa durch geringen Einfluss auf Lieferzeiten, Qualitätskontrolle und Kundenservice. Diese Aspekte werden in einem separaten Artikel ausführlich beleuchtet.
Cross-Channel: Vertriebskanäle miteinander verknüpfen
Cross-Channel geht einen Schritt weiter: Hier werden die verschiedenen Kanäle bewusst miteinander vernetzt. Kunden können beispielsweise online Produkte bestellen und diese im stationären Handel abholen oder retournieren (Click & Collect).
Gerade für Einzelhändler ist diese Strategie interessant, um die Nachteile des klassischen stationären Handels, wie geringere Reichweite und begrenzte Öffnungszeiten, durch die Möglichkeiten des E-Commerce zu kompensieren. Durch die Kombination beider Welten lassen sich Umsatzpotenziale besser ausschöpfen und Kunden flexibel bedienen.
Ein gutes Beispiel sind die Kunden-Apps von Lidl und dm. Beide Unternehmen bieten in ihren Apps nicht nur digitale Prospekte und Coupons an, sondern auch die Möglichkeit, Waren online zu bestellen oder Filialservices zu nutzen. Die Verbindung zwischen Online- und Offline-Erlebnis wird so gestärkt. Damit diese Verknüpfung funktioniert, sind bestimmte technische Voraussetzungen notwendig, insbesondere verschiedene Schnittstellen, unter anderem:
- Schnittstellen zu Warenwirtschaftssystemen (zur Echtzeit-Verfügbarkeitsanzeige)
- Anbindung an Kassensysteme und Zahlungsschnittstellen
- Integration von Kundenkonten und Loyalty-Programmen
- Schnittstellen für Retouren- und Reklamationsprozesse
- Datensynchronisation zwischen Online-Shop, App und stationären Filialen
Omni-Channel: Nahtlose Kundenerfahrung über alle Kanäle hinweg
Omni-Channel geht über Cross-Channel hinaus: Ziel ist es, eine konsistente und nahtlose Customer Journey über alle Kanäle hinweg zu schaffen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Kunde am Desktop, über das Smartphone, in der App oder im Laden einkauft – alle Kanäle sind vollständig integriert.
IKEA und REWE setzen auf genau diese Strategie. REWE verbindet etwa seinen Online-Shop mit dem stationären Sortiment und bietet Services wie Liefer- und Abholservice an. Kunden können online bestellen, ihre Wunschfiliale auswählen und zwischen Lieferung oder Abholung entscheiden. Seit neuestem bietet REWE zudem in seiner App die Möglichkeit, direkt mobil zu bezahlen, was das Einkaufserlebnis weiter vereinfacht. Auch IKEA geht diesen Weg: Die Möbelkette verknüpft ihren Online-Shop mit Showrooms und Einrichtungshäusern. Kunden können etwa online planen, sich beraten lassen, Produkte reservieren und im Laden abholen oder liefern lassen.
Damit eine echte Omni-Channel-Strategie funktioniert, sind umfangreiche technische und organisatorische Voraussetzungen notwendig. Dazu gehören unter anderem:
- Zentrale Kundendatenbank zur Synchronisation von Kundendaten, Bestellungen und Services
- Vollständig integriertes Warenwirtschaftssystem über alle Kanäle hinweg
- Einheitliche CRM-Systeme zur Kundenbetreuung und -kommunikation
- Konsistente Preis- und Produktinformationen auf allen Plattformen
- Mobile App mit Funktionen wie Produktsuche, Verfügbarkeitsanzeige, mobilem Bezahlen und Loyalty-Programmen
- Digitale Services im Laden, z. B. Self-Checkout oder digitale Beratungstools
- Anbindung von Logistik und Fulfillment über alle Verkaufskanäle hinweg
Ein mögliches Masterbeispiel für eine Omni-Channel-Umsetzung könnte so aussehen:
- Im Online-Shop: Kunden planen ihr Wunschprodukt, prüfen die Verfügbarkeit in der Filiale, bestellen zur Abholung oder Lieferung, nutzen Beratungs- oder Chatfunktionen.
- In der App: Zugriff auf den kompletten Produktkatalog, mobile Bezahlmöglichkeiten, Echtzeit-Updates zu Bestellungen, digitale Kundenkarte, exklusive App-Angebote.
- Im Laden: Kunden können ihre Online-Reservierung abholen, mobile Bezahlmöglichkeiten nutzen, mit Mitarbeitern über digitale Tools Produkte konfigurieren und sich die gekauften Waren nach Hause liefern lassen, auch wenn sie vor Ort nicht vorrätig sind.
So wird eine durchgängige, flexible und auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmte Kundenerfahrung geschaffen.