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Vertriebskanäle im E-Commerce: Marktplatz vs. Plattform

Wer im E-Commerce über Vertriebskanäle spricht, stößt schnell auf die Begriffe „Marktplatz“ und „Plattform“. Oft werden sie synonym verwendet – zu Unrecht. Ein Marktplatz ist in erster Linie ein digitaler Verkaufsort, an dem mehrere Händler ihre Produkte anbieten. Amazon, eBay oder Alibaba sind klassische Beispiele: Die Betreiber stellen die technische Infrastruktur und Reichweite zur Verfügung, während die Händler selbst für Sortiment, Preise und Service verantwortlich sind. Ziel ist klar: Produkte finden möglichst schnell den passenden Käufer, unterstützt durch Suchfunktionen, Bewertungen und ein etabliertes Bezahlsystem.

Eine Plattform hingegen hat meist einen breiteren Ansatz. Sie dient nicht nur dem Handel, sondern der Vernetzung unterschiedlicher Akteure. LinkedIn beispielsweise bringt Unternehmen und Fachkräfte zusammen, ohne selbst Produkte zu verkaufen. Alibaba wiederum kombiniert den Marktplatzgedanken im B2B-Bereich mit zusätzlichen Services wie Logistik, Zahlungsabwicklung und Business-Matching. Während ein Marktplatz also stark produktorientiert und transaktionsgetrieben ist, steht bei einer Plattform die Schaffung eines Ökosystems im Vordergrund, in dem Interaktion, Daten und Zusatzservices eine zentrale Rolle spielen.

Marktplätze

Definition: Marktplätze sind zentrale Verkaufsplattformen, auf denen verschiedene Anbieter ihre Produkte direkt an Endkunden verkaufen können. Der Betreiber des Marktplatzes stellt die Infrastruktur, die Zahlungsabwicklung und in einigen Fällen auch die Logistik (z. B. Lagerung und Versand) zur Verfügung.

Charakteristik:

  • Zentraler Verkaufsort: Der Marktplatz wird als zentrale Verkaufsstelle wahrgenommen.
  • Direkter Produktverkauf: Käufer sehen direkt alle Anbieter und Produkte und können Produkte von unterschiedlichen Anbietern in einem Kaufprozess erwerben.
  • Käuferfokus: Marktplätze sind stark auf den Endkunden und den Abschluss von Käufen ausgerichtet.

BeispielAmazon und eBay sind typische Beispiele für Marktplätze, auf denen verschiedene Verkäufer ihre Produkte direkt an Kunden verkaufen.

Plattformen

Definition: Plattformen verbinden in der Regel zwei oder mehr Parteien und bieten ihnen eine Infrastruktur, um miteinander zu interagieren und Geschäfte zu tätigen. Im Unterschied zu Marktplätzen steht der direkte Verkauf an den Endkunden hier oft nicht im Vordergrund. Plattformen umfassen sowohl Marktplätze als auch andere Geschäftsmodelle (z. B. B2B-Plattformen, Dienstleistungsplattformen).

Charakteristik:

  • Breiterer Zweck: Plattformen müssen nicht zwingend Verkaufsplattformen sein, sondern bieten häufig auch Austausch, Vernetzung oder Informationsdienste.
  • Flexiblere Rollenverteilung: Plattformen dienen verschiedenen Nutzungszwecken, zum Beispiel für Geschäftskontakte, Datenaustausch oder die Vermittlung von Dienstleistungen.
  • Vielfältigere Geschäftsmodelle: Neben Produktverkäufen können Plattformen auch als Foren für Dienstleistungen, Kommunikation oder Dateninteraktion fungieren.

BeispielSocial Media Plattformen zeigen, dass Plattformen für verschiedene Geschäftsarten und Interaktionen genutzt werden können.

Hauptunterschiede auf einen Blick:

  • Zweck: Marktplätze dienen meist dem direkten Verkauf an Kunden, während Plattformen häufig vielfältigere Interaktionen und Geschäftsmodelle unterstützen.
  • Fokus: Marktplätze fokussieren sich auf den Verkauf, Plattformen können verschiedene Zwecke haben (z. B. B2B-Vernetzung, Austausch oder Dienstleistungsvermittlung).
  • Struktur: Marktplätze sind oft stark standardisiert und bieten eine einheitliche Kauferfahrung. Plattformen können flexiblere Strukturen bieten und passen sich an verschiedene Nutzungsarten an.

Kanalvielfalt oder Exklusivität?

Die Frage, ob man ausschließlich auf einen Vertriebskanal setzt oder mehrere kombiniert, ist strategisch entscheidend. Wer nur einen Kanal nutzt, kann Ressourcen fokussieren, vermeidet komplexe Verwaltungsstrukturen und hat eine klar kontrollierbare Markenpräsentation. Der Nachteil: Die Reichweite bleibt oft begrenzt, und Abhängigkeiten entstehen – etwa von den Richtlinien und Gebühren eines einzelnen Marktplatzes. Kanalvielfalt hingegen eröffnet neue Kundengruppen, steigert die Sichtbarkeit und ermöglicht Cross-Selling, bringt aber auch höhere Anforderungen an Organisation, Logistik und Kundenservice mit sich.

Kanalvielfalt kann vor allem für Unternehmen sinnvoll sein, die entweder ein breites Sortiment oder Produkte mit hoher Wettbewerbsdichte anbieten. Das Beispiel Lott Autoteile zeigt dies deutlich: Durch die gleichzeitige Präsenz auf zwölf Marktplätzen wie eBay, Amazon oder Tyre24 sichert sich das Unternehmen Sichtbarkeit bei unterschiedlichen Zielgruppen und in spezialisierten Nischen. Diese Strategie eignet sich besonders, wenn die Preissensibilität der Kunden hoch ist oder wenn Zielmärkte stark fragmentiert sind. Auch im Bereich Social Commerce + E-Commerce findet man überzeugende Beispiele für Vielfalt: Viele D2C-Marken wie etwa „Hey Marly“ oder „Kapten & Son“ bauen Reichweite über Instagram, TikTok und Live-Shopping-Events auf, leiten Interessenten aber konsequent in ihren eigenen Shop weiter, um dort höhere Margen und stärkere Kundenbindung zu erzielen.

Exklusivität hingegen kann sich lohnen, wenn ein Unternehmen eine sehr starke Marke, ein klares Alleinstellungsmerkmal oder ein hochpreisiges, erklärungsbedürftiges Produkt hat. Marken wie Apple oder Globetrotter setzen ihre Produkte bevorzugt über den eigenen Shop und stationäre Stores ab, um die komplette Kontrolle über Preisgestaltung, Service und Markenerlebnis zu behalten. Auch einige Premium-Modehersteller wie Hugo Boss haben in Phasen den Vertrieb über Fremdmarktplätze stark reduziert, um den Preisverfall zu vermeiden und die Exklusivität zu wahren. Selbst im kleineren Maßstab kann dieser Ansatz Sinn ergeben – beispielsweise für Manufakturen oder Nischenanbieter, die gezielt auf Qualität und persönliche Beratung setzen und deren Zielgruppe sich ohnehin aktiv an die Marke wendet.

Der richtige Vertriebsmix: Mehr als nur Shop und Marktplatz

Ein moderner Vertriebsmix endet nicht bei Marktplatz, Plattform oder eigenem Online-Shop. E-Mail-Marketing ist einer der wirkungsvollsten Kanäle, um Kunden langfristig zu binden und wiederholt zum Kauf zu bewegen. Personalisierte Newsletter, automatisierte Willkommensstrecken oder gezielte Rabattaktionen per E-Mail können hohe Conversion-Raten erzielen. Shopify nennt hier Benchmarks von rund 20 % Öffnungsrate, 5 % Klickrate und einem E-Mail-Umsatzanteil von bis zu 20 % am Gesamtumsatz – vorausgesetzt, die Ansprache ist relevant und DSGVO-konform.

Auch Apps gewinnen im Omnichannel-Marketing an Bedeutung. Sie ermöglichen es, Kunden mit Push-Nachrichten, personalisierten Angeboten oder Loyalty-Programmen direkt zu erreichen. Manche Apps setzen auf „Shoppable Links“, wie sie etwa von MoSeven angeboten werden: Social-Media-Posts werden direkt mit einem Checkout verknüpft, sodass der Kaufprozess praktisch ohne Reibungsverlust abläuft.

Eine weitere spannende Entwicklung ist das Live Shopping. Hier werden Produkte in Echtzeit auf Social-Media-Plattformen oder eigenen Websites präsentiert – oft kombiniert mit interaktiven Elementen wie Umfragen oder exklusiven Rabatten. Marken wie Zara, Peek & Cloppenburg oder Globetrotter nutzen diese Form des Verkaufs, um Beratung und Unterhaltung zu verbinden. Instagram bietet hierfür einfache, aber direkte Produktverlinkungen im Stream, während YouTube an einer erweiterten Live-Shopping-Integration arbeitet, die Shopping-Elemente und Community-Interaktion vereint.

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